|
|
|
|
|
|
Musik,
Theater, Musiktheater
Musische Projektarbeit an der Hauptschule Gemünden a.Main
(Rainer
Steck, Robert Werner)
Schulspiel, Orff,
Blechbläser, Instrumentalspiel, Chorgesang, Blockflöten, Tanz, musisches
Gestalten ...
Diese und weitere Arbeitsgemeinschaften können an der Hauptschule je nach
verfügbaren Lehrerstunden und –interessen angeboten und durchgeführt
werden. An Weihnachten, zum Schuljahresende, zur Entlassfeier und anderen
Anlässen treten diese Gruppen mit ihren erarbeiteten Werken an die Öffentlichkeit,
um Veranstaltungen zu umrahmen oder eigene Abende zu gestalten. Dies war
und ist guter Brauch - so auch an der Hauptschule Gemünden
.
|
|
|
|
Musische Tradition über
viele Jahre
Dort gibt es eine Schulspielgruppe,
die unter der engagierten Leitung der selben Lehrerin seit 1979 jedes Jahr
ein bis zwei Theaterstücke „auf die Bühne stellt“. Das Repertoire
reichte vom Figurentheater („Madame Bodot und Crictors Abenteuer“) über
die Kriminalkomödie („Der letzte Schlag der Knackerbande“) und Satire
(„Die große Plage“) bis zum sozialkritischen Stück („Street
Kids“). In dieser langen Zeit wurde aus einem provisorischen Podest eine
„richtige“ Bühne mit Vorhängen und steuerbarer Beleuchtungs- und Tonübertragungstechnik.
|
|
|
|
Daneben wurden und
werden in jedem Jahr Musikgruppen aller Art gebildet, die sich von reinen Orff- und
Blockflötenbesetzungen oder dem klassischen Schulchor zu jazzigen Blechbläserensembles
und rockigen Combos bzw. zu Singgruppen mit modernem Repertoire entwickelt
haben.
In den Tanzgruppen wurde der Volkstanz im Laufe der Jahre vom
Jazztanz abgelöst.
So gab es über viele Jahre hinweg Theaterabende, die musikalisch umrahmt
wurden oder Konzertabende, in die ein Theaterstück integriert war, so
auch 1994 in Verbindung mit einem Sommernachtsfest.
|
|
|
|
Ein neuer Schritt: Musiktheater
Als im Jahr 1994 der
Gedanke aufkam, Darstellung und Musik miteinander zu verbinden, war die
Zeit der schulumfassenden Projekte angebrochen.
Kann man ein „Musical“ mit unseren Hauptschülern
einstudieren? Ist es möglich, Tanz, Schauspiel, Chorgesang, Sologesang
und gar noch die instrumentale Umsetzung mit Fünft-und Sechstklässern so
intensiv einzuüben, dass sich die einzelnen Komponenten am Ende zu einem
gelungenen Ganzen zusammenfügen? Sind unsere Schüler noch in der Lage
und willens, über ein halbes bis ein ganzes Schuljahr an einem Ziel zu
arbeiten, zusätzliche Stunden zu opfern und bis zum Ende durchzuhalten,
ja am Ende gar noch eine Höchstleistung an Konzentration und
Einsatzfreude aufzubringen?
|
|
|
Um dies zu
verwirklichen galt es, alle vorhandenen Gruppen zu koordinieren und auf
ein Ziel hin auszurichten. Weitere Kollegen mussten zur aktiven Mitarbeit
gewonnen und die übrigen von der Notwendigkeit überzeugt werden, Störungen
des Unterrichts- und Schulbetriebes sowie anfallende Vertretungsstunden
mit zu tragen.
Unter der Gesamtleitung des heutigen Konrektors Robert Werner wurden für
Lieder und Instrumentalbegleitung für die Schüler geeignete Arrangements
erstellt und einstudiert, Masken und Kostüme entworfen und angefertigt,
die Bühnentechnik geplant und auspro-biert, Bühnenbilder und Requisiten
hergestellt, die Choreografie entwickelt und geprobt, die Rollen
gelernt.Aus dieser Teamarbeit entstand 1995 eine Szenenfolge aus dem
Musical „Cats“, die noch in der Aula der Hauptschule aufgeführt
werden konnte. Es folgten in den Jahren 1997 mehrere Aufführungen der
Musicals „Tabaluga“ und 2001 „König der Löwen“ auf der Bühne
der Scherenberghalle.
In den Jahren dazwischen gab es zwei Themenabende mit Musik und szenischen
Darstellungen: „All You Need Is Love“ bzw. „Dann eben mit
Gewalt!?“ beschäftigten sich mit den Erfahrungen der Schüler aus dem
alltäglichen Umgang miteinander.
Hier sei erwähnt, dass es seit der Aufführung der Szenenfolge aus „Cats“
einen Lehrerchor an unserer Schule gibt, der nicht nur für Anlässe im
Kollegium passende Liedbeiträge bieten kann, sondern auch immer wieder
bei Schulaufführungen mit dem Schülerchor zusammenwirkt und so den Schülern
die sonst schwer erreichbare Erfahrung ermöglicht, in einem wirklichen
mehrstimmigen Chor zu singen.
|
|
|
Erziehliche Aspekte
Motivation über lange Zeit
Sicher war das Ziel
dieser Arbeit, möglichst gelungene Aufführungen zu erreichen. Doch
zeigte sich immer wieder, dass die eigentliche Leistung der SchülerInnen
in der Bewältigung der langen Vorbereitungsphase und der dabei unumgänglichen
Schwierigkeiten lag.
Die Einstudierung eines Theaterstückes oder eines Musicals beginnt
lange Zeit vor der Aufführung. Umfangreiche Texte sind zu lernen, Änderungen
müssen abgespeichert werden, Lieder müssen wieder und wieder geübt
werden, obwohl Schüler sehr schnell das Gefühl bekommen, das Lied doch
schon zu können. Feinheiten sind zu verbessern, scheinbar Erreichtes muss
nach gewisser Zeit wieder erarbeitet werden, Instrumentalspieler müssen
so intensiv üben, dass sie ihren Part fehlerlos spielen können, und das
im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten und Gesang.
Ausdauer, Geduld, Einsicht und Ehrgeiz sind in einem Maß
notwendig, wie es unsere Schüler im Unterrichtsalltag nicht unbedingt
aufweisen. In der Endphase der Einstudierung soll der Schüler möglichst
ständig eine premierewürdige Leistung erbringen, obwohl er doch weiß,
dass „nur“ geprobt wird. Trotz eines Auf und Ab schafften es die SchülerInnen
letztlich, z.T. über ein ganzes Schuljahr auf den einen Termin hin zu
arbeiten.
Dass hierbei eine Leistung wirklich verinnerlicht wird, zeigte sich bei
der Einstudierung von „Tabaluga- oder die Reise zur Vernunft“. Wegen
des guten Erfolgs entschlossen wir uns zu weiteren drei Aufführungen etwa
fünf Wochen später. Trotz einiger Bedenken gelang es den Schülern nach
wenigen „Auffrischungsproben“, die alte Leistung wieder abzurufen. Und
dass sie zu überraschender Konzentration und Ausdauer fähig sind, zeigte
sich bei der Aufführung von „König der Löwen“, als sie zwei Aufführungen
am Vormittag und insgesamt vier Aufführungen in zwei Tagen schafften.
|
|
|
Identifikation mit dem Projekt
Welche
Bedeutung hat es wohl für die SchülerInnen, für eine Theater- oder
Musicalaufführung zu arbeiten und am Ende dabei zu sein? Beides haben
wir erlebt: „Abspringer“ nach einigen Wochen, denen wohl die nachmittägliche
Zusatzarbeit zu viel war, aber auch „Aufspringer“, die sich von MitschülerInnen
dazu motivieren ließen, doch auch mitzumachen. Und das Letztere scheint
uns wirklich wertvoll und zeigt, dass SchülerInnen sich mit ihrer Arbeit
identifizieren. Natürlich erlebten sie auch die verdiente Anerkennung von
außen, sei es durch das Lob ihrer MitschülerInnen bei den Aufführungen
vor der gesamten Schule, sei es durch die Würdigung ihrer Leistung in
Presseberichten oder durch die Tatsache, vor vier- bis fünfhundert
begeisterten jugendlichen und erwachsenen Zuschauern gespielt zu haben,
und das gleich mehrfach.
|
|
|
|
Live-Darbietung – eine originäre Leistung
Inzwischen (leider) weit verbreitet sind sog. Playbackshows, bei denen schon Kinder gefeiert werden, weil sie ein Popidol toll nachmachen können - und wer am Keyboard weiß, welche Einstellung gut wirkt, hat die besten Chancen, seine Zuhörer effektvoll zu blenden. Dies mag etwas polemisch wirken, soll aber nur unterstreichen helfen, wie hoch die Leistung von SchülerInnen einzuschätzen ist, die ihre gesamte Darbietung live und ohne Effektmaschinen bieten
|
|
|
Ob Schlagzeug,
Percussion, Blasinstrumente oder Tasteninstrumente- was zu hören war, war
Ton für Ton original vom Schüler gespielt, und nie wurden unvermeidliche
Unzulänglichkeiten vom Publikum als Unvermögen kritisiert. Bedenkt man
noch dazu, was es heißt, sein Instrument vor mehreren Hundert Zuhörern
zu spielen oder seinen Solopart zu singen, obwohl das Lampenfieber die
Kehle zuschnüren möchte, seinen Einsatz an der richtigen Stelle zu
finden oder das Stichwort des Mitspielers keinesfalls „zu
verschlafen“, obwohl die Konzentration gerade nachlässt, wird
deutlich, welche Leistung letztlich erbracht wurde.
|
|
|
Selbstbewusstsein
und soziale Integration
Wir
Lehrkräfte wunderten uns bisweilen, welche SchülerInnen meinten, Theater
spielen oder solo singen zu können. Doch zeigte sich nicht selten, dass
sie weitaus mehr leisten konnten, als wir ihnen zugetraut hätten. Da
wuchs einer so in eine Rolle hinein, dass ihm im nächsten Schuljahr eine
Hauptrolle gegeben werden konnte. Da schaffte es eine, die eine erkennbar
gute Stimme, aber wenig Selbstsicherheit und Anerkennung bei ihren Mitschülerinnen
hatte, eine Solorolle zu singen und auch die „Spitzen“ ihrer lieben
MitschülerInnen auszuhalten. Umgekehrt gilt es auch, als
„Gesangsstar“ einmal zugunsten einer Mitschülerin auf eine Solorolle
zu verzichten. Und wieder einer, der im Schulalltag ständig aneckt und
Probleme bereitet, schafft es, sich in die Probenarbeit einzuordnen, wie
schwer es ihm auch fällt. Stärkung des Selbstbewusstseins und soziale
Integration sind hier mehr als Nebenprodukte der unterrichtlichen Arbeit.
|
|
|
Chance
für Kreativität und Schulung der Flexibilität
Ein letztes erzieherisches Moment sei erwähnt: Gerade beim Theaterspiel entwickelten die Schüler immer wieder neue und originelle Ideen, wenn es galt, etwas überholte Inhalte eines Stücks der heutigen Zeit anzupassen, Lokalkolorit einzufügen oder Vorschläge zur Inszenierung zu machen. Lässt man der Kreativität hier Freiraum, steigert dies bei den SchülerInnen das Erfolgsgefühl und die Identifikation mit "ihrem Stück".
Vom Verfahren her lief die Einstudierung unseres Musicals zunächst mehrspurig: Musik, Schuspiel und Tanz mussten so weit grundgelegt werden, dass eine Zusammenführung in Gesamtproben sinnvoll wurde. Bis dahin hatten die Schüler keine wirklich klare Vorstellung davon, wie das Musical als Ganzes einmal wirken würde. In den Gesamtproben zeigte sich plötzlich, dass eine Szene für die Schauspieler abzuändern war, weil die Tänzer sonst ein Problem hätten
. Das Ineinandergreifen von Musik, Schauspiel und Tanz machte plötzlich Abänderungen nötig, die den Probenfluss unterbrachen, einzelne Schülergruppen für längere Zeit zum Nichtstun "verdammten" oder ein Umdenken und Umlernen erforderten. Wie schwer dies unseren Schülern fällt, haben wir erfahren müssen, und doch waren sie flexibel und geduldig genug, solche Änderungen zu übernehmen.
|
|
|
Resumee
Musische
Projektarbeit erreicht mehr als interessante Aufführungen. Sie beinhaltet
eine Reihe erziehlicher Wirkungen, fördert angemessenes Selbstbewusstsein
und fordert in der Zusammenarbeit gegenseitige Anerkennung und Rücksichtnahme.
|
|