"Als Hitler das rosa Kaninchen stahl"




„Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, dieses preisgekrönte Jugendbuch von Judith Kerr war Thema einer Lesung in der Mittelschule Gemünden.


 Als Teil der Veranstaltungsreihe „Das St. Josefshaus Gemünden und seine Kinder“ waren drei siebte und eine achte Klasse sowie einige wenige Personen der auch geladenen Öffentlichkeit am Freitagmorgen zu Gast in der Schülerbücherei.




Winfried Söllner begrüßte als Moderator der Veranstaltung auch Birgit Amann, die Organisatorin der Veranstaltungsreihe. Er führte in den Handlungsrahmen des Buches ein und gab auch immer wieder weiterführende Informationen zwischen den einzelnen Leseausschnitten.

Eine Bläsergruppe unter der Leitung von Kurt Schmitt spielte im Verlauf der Stunde drei religiöse Lieder.






Die Autorin Judith Kerr heute, die in dem autobiographischen Roman Anna ist.






Karin Konradt-Dittmer, die Leiterin der Schülerbibliothek, hatte für ihre Lesung Kapitelausschnitte gewählt, die wichtige politische Vorgänge ansprechen und zeigen, wie sie das Leben der  Familie, insbesondere der Kinder berührten.


Bilder und Zeichnungen der Autorin veranschaulichten die Zeit, in der das Buch spielt.




Die Flucht der Familie Kerr aus Berlin nach Zürich kam gerade noch rechtzeitig vor dem Zugriff der an die Macht gelangten Nationalsozialisten im Frühjahr 1933. Die Großstadtkinder müssen ihre Freunde zurücklassen und landen auf dem Lande nahe Zürich. Im Gespräch bei einer Schifffahrt auf dem Züricher See macht ihr Vater, der bekannte jüdische Schriftsteller, Journalist und ausgewiesene Hitlergegner Alfred Kerr, Anna zum ersten Mal klar, dass sie nun  Flüchtlinge seien. Die öffentliche Verbrennung seiner Bücher und eine Belohnung, die auf seine Ergreifung ausgesetzt wird, wie auch finanzielle Nöte machen dem Vater klar, dass er die Schweiz in Richtung Paris verlassen muss. Dort finden sich Anna und ihr Bruder Max in der typischen Situation von Flüchtlingen: Sie verstehen und sprechen kein Wort der neuen Sprache. Dennoch müssen sich die Zehnjährige und ihr älterer Bruder irgendwie im Alltag durchkämpfen, und sei es, wie beim Kauf von Bleistiften, mit Wörterbuch und Gestik.



Für die aufmerksam lauschenden Schüler/innen war dann das Kapitel „Erster Schultag Annas“ ein nachvollziehbares Problem. 


Erleben sie doch gerade täglich, wie Flüchtlinge aus Syrien in ihren Klassen mit genau diesen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, Unterricht in einer Sprache, die sie so gut wie nicht verstehen.



Als auch in Paris Vater Kerr als Autor nicht genug zum Lebensunterhalt verdienen kann, erhält er glücklicherweise ein Angebot aus England, sein Drehbuch zu einem Film zu erwerben. Für die Kinder bedeutet dies, jetzt, da sie endlich Französisch gelernt haben, wiederum in ein Land zu müssen, dessen Sprache sie nicht können. Im Gespräch mit den Eltern, ob sie wohl je eine Heimat haben könnten, akzeptiert Anna Vaters Version von Heimat:  Zu vielen Orten ein wenig zu gehören kann vielleicht ebenso gut sein.


In seinen Schlussworten wies Winfried Söllner die Schüler noch einmal darauf hin, dass sich genau solche Flüchtlinge in direkter Nachbarschaft im Hotel Atlantis befänden und dass auch Deutsche einmal als Flüchtlinge ihre Heimat verlassen und anderswo Hilfe und Aufnahme finden mussten.